Stimmen aus der Fakultät

Schamanen und Schamaninnen stehen im Dienst der Gemeinschaft

Ein Gespräch mit Adele Erle,
Fakultätsmitglied FSSE (Teil 1 / 2)

Adele, wir erleben derzeit weltweit eine Reihe tiefgreifender Veränderungen. Welche Rolle können schamanisch Praktizierende Deiner Meinung nach bei der Lösung unserer gemeinschaftlichen Aufgaben spielen?

Schamanisch Praktizierende sind Spezialistinnen und Spezialisten darin, in die Nichtalltägliche Wirklichkeit zu reisen. Diese schamanischen Reisen ermöglichen den Kontakt zu mitfühlenden Geistern, unendlicher Kraft, zeitlosem Wissen und Liebe. Diese Quelle des Wissens können wir nutzen, um neue Lösungsansätze für unsere kollektiven Anliegen zu finden. Es braucht das „Miteinbeziehen“ der spirituellen Welt, der mitfühlenden Geister, um unsere globalen Krisen zu lösen. Wir können das Wissen und die Kraft der Geister in der Alltagswelt manifestieren und gezielt einsetzen.

Genauso wichtig ist die Erfahrung, „nicht alleine zu sein“, DAS berührt.

Und genau um diese Berührung geht es. Denn es lässt uns mit dem Herzen verstehen, dass eine Wechselseitigkeit in den Beziehungen aller Dinge besteht. Alles was ist, ist beseelt und wir stehen damit in Beziehung; mit Pflanzen, Tieren, Menschen, aber auch mit der sogenannten anorganischen Natur. Und wenn man das verstanden hat, diese Verbindung wahrhaftig erlebt, dann ist die Chance größer – eigentlich kann man dann gar nicht mehr anders – das eigene Verhalten zu verändern für einen liebevolleren, achtsameren, verantwortungsvolleren Umgang mit der Mitwelt.

 

Hast Du bei Deiner Praxis selbst Inspiration dafür geschöpft, wie Du oder andere Praktizierende einen Beitrag dazu leisten können?

Beispiel Klimawandel – Ich habe oft das Gefühl, dass der Klimawandel für viele Menschen immer noch sehr abstrakt ist. Wir merken zwar, dass es heißer wird und weniger regnet, darüber hinaus fühlen viele Menschen scheinbar wenig. Meine Vermutung ist, dass das auch damit zusammenhängt, dass viele Menschen eine solche Erfahrung des Verbunden-Seins bisher noch nicht machen konnten. Ein Beitrag von uns schamanisch Praktizierenden könnte sein, Menschen diese Verbundenheit und Liebe durch eigene Erfahrungen spüren zu lassen und dies lässt hoffen, dass ein Umdenken stattfindet.

Mit „Schamanische Wege zu lokaler und globaler Veränderung“ („Shamanism for Inspired Local and Global Change“) hat die FSS kürzlich ein neues Seminar eigeführt, das sich beispielsweise mit solchen Fragestellungen beschäftigt. Was hat Dich dazu bewogen, an dem neuen Seminar teilzunehmen?
Der Hauptgrund war, dass mir die Gemeinschaft am Herzen liegt. In meinem Alltag bemerke ich, dass uns die Gemeinschaft ein Stück weit verloren geht. Es gibt weniger Zeit für den unmittelbaren Kontakt mit meinen Mitmenschen. Und so nutze ich jede Möglichkeit, um in der Gemeinschaft zu arbeiten und zu lernen.

 

Man könnte sagen bei dem Seminar geht es um einen spirituellen Aktivismus, um schamanisch unterstützte Lösungen in der alltäglichen Wirklichkeit. War dieser Ansatz etwas Neues für Dich?

Nein, der Ansatz eigentlich nicht. Schamaninnen und Schamanen auf der ganzen Welt stellen sich in den Dienst ihrer Gemeinschaft, um Heilarbeit zu leisten und Probleme zu lösen. Neu ist die konkrete Methodik, Divination fokussiert für kollektive Anliegen einzusetzen. Das Seminar hat ja auch globale Themen aufgegriffen und ist der Frage nachgegangen, wie wir als schamanisch Praktizierende einen Beitrag dazu leisten können, Themen oder Krisen anzugehen, die uns alle betreffen und für die wir alle auch eine Mitverantwortung tragen.

 

Wie würdest Du Dir wünschen, dass Schamanismus unsere moderne Gemeinschaft verändert?

Meiner Meinung nach leidet unsere Gesellschaft nicht unbedingt an einer Umwelt- oder Finanzkrise, sondern an einem Mangel an Liebe und Lebendigkeit. Ich habe die Vorstellung von einer Gemeinschaft, in der sich Menschen wieder trauen, sich aufeinander einzulassen. Geschichten erzählen, einander zu hören, gemeinsam tanzen und singen – das alles scheint vielleicht banal, diesen Aktivitäten wohnt jedoch eine besondere, heilsame Kraft inne.

Aus schamanischer Sicht ist für mich der Dreh- und Angelpunkt: Wir sind nicht allein. Im Schamanismus kommunizieren wir mir den Geistern, mit unseren Ahnen, wir kommen mit und für die Gemeinschaft zusammen. Dies alles schafft Zugehörigkeit, bringt Freude und Wissen.

 

Was Adele persönlich voran treibt, wie sie selbst zum Schamanismus kam und welche Seminare sie besonders beeindruckten, verrät Adele in einem zweiten Teil des Interviews.

Adele Erle ist im psychosozialen Bereich tätig und Fakultätsmitglied der Foundation for Shamanic Studies Europe.