In Memoriam

Paul Uccusic

Der Schamane in ihm - Über Paul Uccusic (1937-2013)  

Wer einer wirklich war, das können wir im besten Falle nur erahnen. Was einer uns hinterlassen hat, worin sein Vermächtnis an uns besteht, das dürfen wir uns fragen. Paul Uccusic hat den europäischen Zweig der Foundation for Shamanic Studies gegründet, aufgebaut und viele Jahre lang geleitet. Diese Herkulestat darf als ein Lebenswerk gelten, sie allein wäre schon genug an Vermächtnis, denkt man an all jene Menschen, die bei Paul und anderen Lehrenden der Foundation Seminare besucht und einen Zugang zum Core-Schamanismus gefunden haben. Und doch ist dies nur ein Teil des Bildes.

Paul Uccusic war nicht nur ein Lehrender, er war auch ein erfolgreicher Autor zahlreicher Bücher, die alle um sein Lebensthema kreisten: das Heilen. Er hat als kritischer Journalist über dieses Thema recherchiert und dann eines Tages die persönliche Berufung zum Heiler erkannt und angenommen und sich schließlich – nach der Begegnung mit Michael Harner im Jahr 1982 – der Unabweislichkeit der schamanischen Erfahrung gestellt. Seine Konzentration auf das Heilen in der schamanischen Praxis ist Teil seines Vermächtnisses, lehrt sie doch Demut und stellt so das probateste Mittel gegen die Gefahren von Hybris und Gurutum dar. Denn im Schamanismus – in nativen Kulturen ebenso wie in Europa – zählt allein das Ergebnis, das tatsächliche Eintreten von Heilung.

Als mit dem Gedankengut des Sozialismus aufgewachsener und im Kampf gegen den Faschismus der Nachkriegsjahre in Österreich engagierter Mensch mit einer naturwissenschaftlichen Ausbildung als Chemiker ging er stets kritisch, nüchtern und pragmatisch an den Schamanismus heran. Er vermied es dabei, das „Kind“ der Aufklärung und der modernen Wissenschaft vorschnell mit dem Bade neu entdeckter Spiritualität auszuschütten. Vielmehr gelang es ihm, die Fähigkeit zu kultivieren, zwei einander logisch widersprechende Tatsachen gleichzeitig für wahr zu halten. Ein bemerkenswertes Modell gelebter Klarheit für den Umgang mit den vielen Bruchlinien, die sich durch die abendländische Geistesgeschichte ziehen. So vermochte Paul Uccusic verschiedene Dinge gleichzeitig zu sehen: Er erkannte klar die unheilvolle Rolle sowohl der christlichen Kirchen als auch der Aufklärung in der Verdrängung schamanischen Wissens in Europa. Er ließ sich dennoch von wissenschaftlicher Strenge im Umgang mit schamanischer Erfahrung leiten. Und er schätzte und studierte ebenso die Mystiker der verschiedenen Weltreligionen. Diesen Mystikern war er zweifellos näher als den Dogmatikern aller Ideologien und Glaubensrichtungen, von denen er sich fernhielt. Jenes Buch, das wohl sein Hauptwerk als Autor darstellt, „Der Schamane in uns“ (1991), zeugt von seiner Fähigkeit, die – zu ihrer Zeit noch höchst ungewöhnliche – Erfahrung als schamanisch Praktizierender im 20. Jahrhundert in Europa im Kontext mit all jenen Denktraditionen zu begreifen, die ihn mit geprägt hatten.

Paul Uccusic war ein Meister darin, seine eigene Person zurückzunehmen. Er konnte dies auch und gerade als Autor zahlreicher Bücher, als „homme de lettres“, der es liebte, Bücher zu lesen und zu schreiben: „Worte sind Schall und Rauch und gerade im Schamanismus nicht durch persönliche Erfahrung zu ersetzen.“ [1] Er vermochte dies als unablässig quer über den europäischen Kontinent reisender Lehrer des Schamanismus, wenn er dabei nicht müde wurde, zu betonen: „Die spirituellen Lehrer des Schamanen […] sind ausschließlich die in der nicht-alltäglichen Wirklichkeit.“ [2] Und er nahm sich als diskret agierender Heiler unzähliger Menschen zurück, wenn er immer wieder daran erinnerte, dass Schamanen „hohle Knochen“ sein müssen, denn sie arbeiten mit der Kraft ihrer Helfer und nicht der eigenen. Heute dürfen wir das Lebenswerk von Paul Uccusic in der Tradition von Pionieren wie C. G. Jung, Mircea Eliade, Carlos Castaneda und Michael Harner sehen, die alle ihren je spezifischen Beitrag dazu geleistet haben, dass die Tore einer Verbindung zur nicht-alltäglichen Wirklichkeit in den Industrienationen wieder weit geöffnet wurden.

Es heißt, wir bekämen das zu sehen, was wir auffassen können, und das aufgebürdet, was wir tragen können. Paul Uccusic konnte enorm viel auffassen und tragen, entsprechend viel bekam er zu sehen und aufgeladen. Er hat uns daher nicht mehr und nicht weniger hinterlassen als die Renaissance des Schamanismus in Europa mit Mitteln des Core-Schamanismus und gleich auch noch die Aufarbeitung der geistigen Grundlagen dazu geliefert. Er hat uns Grundsätze der Klarheit und der Zurücknahme des Egos vorgelebt, die uns auf dem Weg in die Zukunft leiten, und er hat uns diesen Weg gewiesen, denn uns: „[...] bleibt nur, den Weg zu gehen – den des gewöhnlichen Lebens, der täglichen Erfahrung, aber auch den des Herzens. Er kann ganz gut gegangen werden mit Hilfe einer Methode, die schon unseren Vätern und Vorvätern gedient hat: dem Weg des Schamanen.“ [3]

Quellen:

[1] Uccusic, Paul (1991): Der Schamane in uns: Schamanismus als neue Selbsterfahrung, Hilfe und Heilung. München: Hugendubel, S. 247.
[2] ebda.: S. 248.
[3] ebda.: S. 262.

Text: Dr. Andreas J. Hirsch ist Autor, fotografischer Künstler, Kurator, Herausgeber und Fakultätsmitglied der Foundation for Shamanic Studies Europe.

 

Paul Uccusic, Gründungsdirektor der Foundation for Shamanic Studies Europa, erlag am 02. 08. 2013 den Folgen eines Unfalles.

1937 in Wien geboren, studierte er Chemie, Physik und Mathematik, bevor er sich dem Journalismus zuwandte. Neben seiner Tätigkeit für verschiedene Tageszeitungen wurde Paul Uccusic zu einem bekannten Autor im Bereich  Naturheilkunde, Parapsychologie, Geistheilung und letztlich Schamanismus. Sein Buch „Der Schamane in uns“ gilt als ein Klassiker des Core-Schamanismus.

Seine Zuneigung zu Tuwa drückte sich u.a. in mehreren Expeditionen sowie zwei Büchern zu Schamanengeschichten bzw. -gesängen aus, als deren Herausgeber er fungierte. Der Aufbau der Foundation for Shamanic Studies in Europa und die Verbreitung des Core-Schamanismus in Europa und darüber hinaus sind sein Lebenswerk.

Artikel von Paul zum Schamanismus

Veröffentlichte Werke von Paul sind in unseren Literaturempfehlungen zu finden.

Monographien von Paul Uccusic

  • „Psi-Resümee“ (1975)
  • „Naturheiler“ (1978)
  • „Doktor Biene“ (1982)
  • „Heilen“ (1984)
  • „Der Schamane in uns“ (1991)

Als Herausgeber:

  • Mongusch B. Kenin-Lopsan, Schamanengeschichten aus Tuwa (2011)
  • Mongusch B. Kenin-Lopsan, Schamanengesänge aus Tuwa (2013)